Tisch mit 8 Zeichnungen (Körper), 1993-98

Tisch mit 8 Zeichnungen (Körper), 1993, Silvia Bächli

In Silvia Bächlis Tischvitrinen, die seit dem Jahr 1996 in diversen Ausführungen entstehen, sind jeweils verschiedenartige und -formatige Zeichnungen arrangiert. Bei eingehender Betrachtung lassen sich aber in den ausgelegten Arbeiten, die meist aus unterschiedlichen Jahren datieren stammen, immer mehr oder weniger enge thematisch und motivisch verbundene, von der Künstlerin selber als „Familien" charakterisierte Gruppen ausmachen. Besonders deutlich wird dies beim Tisch mit 8 Zeichnungen (Körper), wo sämtliche Gouache- und Tuschezeichnungen mal mehr und mal weniger deutlich Körperteile abbilden - oder vielmehr: wo Linien und Flächen auf den menschlichen Körper anspielen oder verweisen. Denn obschon Bächlis Darstellungen als figurativ gelten mögen, sind sie weder einem zeichnerischen Realismus verpflichtet, noch können sie auf etwas Zeichenhaftes, einfach Entzifferbares reduziert werden: Die Körperfragmente - ein Bein oder verschieden grosse Torsi -  in diesen Arbeiten erscheinen als uns naheliegendste Gegenstände irgendwie paradox, und doch in einer Art vertrauten Fremdheit. Auf dem einen, besonders auffälligen Blatt verdeutlicht eine Reihe von gepinselten Wörtern die merkwürdige Zeichnung einer offenbar weiblichen Figur daneben. Was als Auflistung von Körperteilen logisch und konsequent erscheint, zeigt sich in der gezeichneten Figur als fast schon monströs wirkende Aneinanderreihung der genannten Elemente. Unter einem Kreisrund sind zwei Augen platziert, danach kommt ein Hals und erst dann - wie ein heruntergerutschter Schnurrbart - die Haare. Präsentiert uns also diese Zeichnung, die doch bloss das Geschriebene wortwörtlich illustriert, ein gänzlich falsches Bild vom menschlichen Körper? Diese Schlussfolgerung wäre berechtigt, wollte man der Kunst die Aufgabe zuweisen, die sichtbare Wirklichkeit lediglich abzubilden; dagegen ist aber anzuführen, dass Kunst eben nicht das Sichtbare wiederzugeben hat, sondern sichtbar macht, wie es Paul Klee einst formuliert hat. Gerade die Körper-Darstellungen lassen vermuten, dass Silvia Bächlis Zeichnungen just der erwähnten, aus Klees Aufsatz Schöpferische Konfession (1920) stammenden Sentenz verpflichtet sind. Sie beruhen nämlich offenkundig nicht primär auf einem genauen visuellen Studium eines Gegenstands, sondern eher auf einer Empfindung, also auf einer komplexen, vielschichtigen Wahrnehmung der eigenen Physis, die auf diese Weise mit Hilfe weniger zarter Linien und Flächen stimmig ins Bild gesetzt wird. Über diese in einzelnen Zeichnungen mit verschiedenen Mitteln erreichte Vergegenwärtigung von Körperempfindungen, zusammengefügt in der Tischvitrine, schafft Silvia Bächli ein neues und komplexes Bild gerade des in der Kunst so oft stereotyp dargestellten weiblichen Körpers.

IF

Künstler
Silvia Bächli
Gattung
Zeichnung
Material
Tisch (mit Metallfüssen, bedeckt mit Glas) + 8 Zeichnungen: Gouache oder Tusche auf Papier

a = Gouache auf Papier, 1998, 44 x 62cm (Install. No. 1)
b = Gouache auf Papier, 1998, 21 x 29,5cm (Install. No. 2)
c = Tusche auf Papier, 1998, 22 x 31 cm (In
Masse
Installation: 67,5 x 215,5 x 5,5cm (Tisch)
Standort
Depot
Inventarnummer
A 2003.276a-h
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2003
Provenienz
Ankauf 1998 bei der Künstlerin
Ausstellungsgeschichte

Die Tische wurden für die  Ausstellung in der Kunsthale Bern 1996 geschaffen.

Literatur

Weitere Infos