Leben & Werk Loredana Sperini
Loredana Sperini
* 1970 in Wattwil (SG)
lebt und arbeitet in Zürich
Loredana Sperini hat nach einer Ausbildung als Textilzeichnerin und -designerin und einigen Jahren praktischer Arbeit im Beruf den Entscheid für eine künstlerische Ausbildung an den Hochschulen Zürich (Vorkurs Gestaltung und Kunst 1996-97) und Luzern (Bildende Kunst 1997-2000) gefasst. Die Künstlerin darf in der Folgezeit nicht nur 2003 und 2004 den Swiss Award entgegennehmen, 2003 das Atelier der Binz39, sondern ebenso Stipendien der Stadt und des Kanton Luzern im Jahr 2002, der Stadt Zürich 2004 und des Kanton Zürich 2006.
Kurze Zeit nach Ende ihrer Luzerner Ausbildung im Jahr 2000 fasziniert Loredana Sperini mit Arbeiten, die von einer erzählerischen Entrücktheit gekennzeichnet sind. Mit Zeichnungen, aber auch durch eine ausgefeilte Arbeitstechnik des Stickens zieht die junge Künstlerin die Aufmerksamkeit auf sich: von 2000 bis etwa 2007 arbeitet sie vorwiegend mit Nadel und Faden. Auf gestärkte, blütenweisse Stoffe wie Servietten oder Kissenbezüge stickt sie auf den ersten Blick harmlos anmutende figurative Motive befremdlichen Inhalts. Ihr Schaffen hat nichts mit braver Frauen-Handarbeit zu tun, sondern unterläuft stattdessen die Vorstellungen, die damit verknüpft sind. Und das, obwohl Sperini ihre Erstausbildung in der Ostschweizer Textilbranche durchlief. Die mit schwarzem Faden gestickten figürlichen Abbildungen sind das Ergebnis eines längeren Prozesses. Auf der Grundlage von eigenen Foto-Porträts entstehen Zeichnungen, die die Künstlerin zu Stickbildern umsetzt. Dabei verändern sich die abgebildeten Personen nach und nach. Das Gestikulieren einer Person wird während des Fotografierens eingefroren und verliert somit an Bedeutung. Für Sperini ist es wichtig, über den Zustand der Fotografie hinauszugehen. Die Materialverschiebung zur Stickerei gibt ihr die Möglichkeit, diese Gesten wieder zu öffnen. Nicht nur auf dem Weiss des Stoffes, sondern auch in späteren plastischen Arbeiten aus verschiedenen Materialien - Sperini hat für eine Einzelausstellung in der Kunsthalle St. Gallen 2005 erstmals eine grosse raumgreifende Wandarbeit aus Wachs (Wachsreliefmalerei) geschaffen - erscheinen schemenhafte Wesen, die von ästhetischen und atmosphärischen Irritationen gezeichnet sind und dadurch die Porträts spannungsvoll aufladen. Die Gesichter und Körper verziehen sich auf surreale Art und Weise; handelt es sich um erbrochenes Blut, um magnetische Strahlung oder sonstige auratische Kräfte, die vor unseren Augen ihre Macht entfalten?
In den Folgejahren entstehen, ausgehend von Zeichnungen, grossformatige, zergliederte und zugleich präzis komponierte Spiegelinstallationen, die Betrachter und umgebenden Raum miteinbeziehen. Zur gleichen Zeit entwickelt die Künstlerin eine Gruppe von kleinteiligen skulptural-installativen Arbeiten aus Wachs und weiteren Materialien, wie Äste, Spiegel, Lichtkörper oder Schmetterlingsflügel, die das einst Zeichnerische in ein anderes Material überführen, das Plastische betonen und in den Raum weiterführen, wobei mit der Ausdruckskraft dunkler, tief leuchtender Farben ein neuer Bedeutungsträger aufkommt. Daneben ist eine kleine Gruppe von Porzellanfiguren erwähnenswert, die während ihres Berlin-Aufenthaltes - Loredana Sperini erhält 2006 das Atelierstipendium der Zuger Kulturstiftung Landis und Gyr - geschaffen wurden. Diese Nippesfragmente stammen aus den Trümmerbergen der Stadt und erinnern durch die Neugestaltung der Künstlerin nicht nur an vergangene, zerbrochene Zeiten, sondern ebenso an zeitgenössische menschliche Befindlichkeiten, wie man dies bereits aus ihren früheren Arbeiten kennt.
Folgende Arbeiten von Loredana Sperini verführen in eine architektonische Welt die, frei von Menschen und Figürlichem, Atmosphären vermittelt: Raumgreifende, lineare Strukturen zwischen Kulisse und begehbarer Skulptur, die von Wachsmalereien von dunkler Tonigkeit orchestriert werden. Von neuem beschäftigt sich die Künstlerin mit figürlichen Formationen und Wesen, die sie objekthaft in den Medien Wachs, Zement, Acrystal oder Bronze erschafft und mit diversen Materialien und Fundstücken kombiniert.
In den Arbeiten Sperinis in den Medien Zeichnung, Malerei, Stickerei, Installation, Objekt spielen emotional besetzte Materialien - Spiegel, Glas, Textiles, Wachs - eine zentrale Rolle, die von die Künstlerin mit grosser Sensibilität eingesetzt werden. Sie thematisiert damit grundlegende Befindlichkeiten der menschlichen Existenz: Angst, Furcht, Zerrissenheit und Flucht.
Loredana Sperini wird von der Galerie Freymond-Guth in Zürich vertreten.
Auf sik-isea.ch ist ein Interview mit Loredana Sperini aufgezeichnet.
Alexandra Blättler / Esther Maria Jungo
Werke sortiert nach Titel ↑JahrGattung
Bild | Informationen | Beschreibung |
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Loredana Sperini Ohne Titel2007 Wachs und Schmetterlingsflügel auf MDF-Platte Masse Objekt: 17 x 46 x 32 cm Plattenmasse: 3,7 x 60,1 x 40,2 cm Skulptur |
Die Arbeit Ohne Titel entstammt aus einem neuen Werkzyklus, der auf die Wandarbeiten und gerahmten Bilder aus Wachs folgt, sich jedoch zu skulpturaler respektive objekthafter Präsenz weiterentwickelt. Das Werk zeigt Handfragmente aus Wachs in unterschiedlichen Farbtönen. Arrangiert auf einer schwarzen, einfachen Holzbasis, menschlich und denoch nicht von... [ Weiter ] |
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Loredana Sperini Quante brave persone2007 Spiegelplexiglas, bestehend aus lasergeschnittenen rund 300 Einzelteilen Masse 226 x 600 cm Installation |
Die grossformatige Spiegelinstallation, die für eine Ausstellung in La Rada, Locarno entwickelt wurde, ist eine Erweiterung der bis anhin entwickelten Zeichnungen, Stickereien und Wachsarbeiten der Künstlerin. Durch die Spiegelversion ergeben sich nicht nur weitere Perspektiven und eine fragile Leichtigkeit, zugleich spiegeln wir uns als Betrachter, ebenso der Raum und das Licht... [ Weiter ] |