Leben & Werk Roman Signer

Roman Signer
* 1938 in Appenzell
lebt und arbeitet in St. Gallen

 

Der in Appenzell geborene und aufgewachsene Künstler Roman Signer wird in der ländlichen Umgebung seiner Heimat nicht nur von der Kraft der Natur geprägt, sondern ebenso von seinen grenznahen Erfahrungen, als im 2. Weltkrieg wenige Kilometer entfernt die Bomben niederfielen. Nach einer Lehre als Bauzeichner besucht er 1966 in Zürich und von 1969– 1971 in Luzern die Kunstgewerbeschule sowie von 1971-72 die Kunstakademie in Warschau. Hier lernt er seine spätere Frau Aleksandra Rogowiec kennen.

Seit 1972 arbeitet Signer als freischaffender Künstler in St. Gallen und unterrichtet gleichzeitig an der Kunstgewerbeschule in Luzern. In den 1970er Jahren darf der Künstler dreimal das Eidgenössische Kunststipendium entgegennehmen. Ab 1973 folgen Einladungen zu Ausstellungen im In- und Ausland. Seit 1981 tritt Signer immer häufiger mit seinen Aktionen vor Publikum. Ab Ende des Jahrzehnts erlangt er vermehrt internationale Anerkennung, u.a. mit seiner Beteiligung an der documenta 8 in Kassel 1987 und an der Ausstellung Skulptur.Projekte in Münster 1997. 1993-94 zeigt das Kunstmuseum St. Gallen eine umfangreiche Werkübersicht. 1995 realisiert Peter Liechti den Dokumentarfilm Signers Koffer. 1999 vertritt Signer die Schweiz an der Biennale von Venedig.
Heute gehört Signer zu den bedeutendsten Gegenwartskünstlern, der zahlreiche renommierte Auszeichnungen und Preise entgegennehmen durfte, wie 2010 den Prix Meret Oppenheim, und mit wichtigen Präsentationen in Museen im In- und Ausland präsent ist.

Bereits in frühen Aktionen von Roman Signer, wie jene mit Bernard Tagwerker, 1975, wo mit einer Reihe von Luftballons, die am Boden befestigt sind, die Silhouette des Säntis über dem Bodensee nachgezeichnet wird, lässt sich seine elementare und ephemere, poetische Sprache erkennen, die durch den Zeitverlauf eine Veränderung der Sicht auf die Dinge erfahrbar macht.
Signer versteht sich als Bildhauer, obwohl er bei einem breiten Publikum vor allem durch seine Explosionen als Sprengkünstler grössere Bekanntheit erlangt hat. Den traditionellen Begriff der Skulptur und Plastik möchte Signer, in Einklang mit dem Zeitgeist der späten 1960er Jahre, im wahrsten Sinne des Wortes sprengen, um mit der Dimension der Zeit, mit dem Moment der Veränderung oder Bewegung im Raum, den gestaltgebenden Vorgang zu ermöglichen. In besonders sinntragender Weise findet sich dies in Signers Aktion mit der Zündschnur, 1989: Im Oktober lässt der Künstler von Appenzell, seinem Geburtsort, nach St. Gallen, seinem Wohnort, eine Zündschnur abbrennen und begleitet dieses langsame Abfackeln zu Fuss über 20 Kilometer während 5 Tagen und Nächten. Dieser umfassende Raum, der durchschritten wird, löst sich am Ende auf. Kein Objekt, kein Moment ist mehr vorhanden, es sind die Raum-Zeit-Strukturen, die das Werk ausmachen. Im Medium Film (Roman Signer), Video (Aleksandra Signer) und Fotografie (diverse Fotografen) werden die „Ereignisse“, wie Signer seine energetischen Prozesse nennt, wieder erfahrbar gemacht.

Während die frühen Arbeiten mehrheitlich ohne Publikum entstanden, entwickelt Signer im Verlaufe der 1980er Jahre auch Arbeiten, wo er als Akteur vor Publikum auftritt und sich zuweilen heftigen Transformationen und Ereignissen aussetzt, die den Künstler existentiell in Gefahr bringen. Dabei macht er Handlungen und Prozesse sichtbar, wobei er zumeist alltägliche, einfache oder elementare Materialien bevorzugt. Die Kraft der Elemente der Natur, sei es Wasser, Luft, Erde mit Stein oder Sand, und Feuer sucht Signer zu untersuchen und deren Potential freizulegen. In existentieller und elementarer Weise setzt er sich dabei als Akteur nicht nur für die Freilegung von Energien ein, sondern auch sich selbst als Potential von Kraft und Bewegung, wenn er beispielsweise auf die fragile Eisfläche eines Sees geht, bis er durchs Eis bricht und ins kalte Wasser fällt. Als Scheiternder, beinahe Ertrinkender stellt er sich selber dar und reflektiert mitunter seine Rolle als Künstler. Dieses Potential des Wassers wird in unzähligen weiteren Arbeiten, in spektakulärer aber auch in stiller, kaum merklicher Weise thematisiert: Einfrieren, einbrechen, fallen, aber auch fliessen, spritzen und aufsteigen.
Die kinetische Brunnenskulptur
Stiefel, 2004, als Jet d’eau besonderer Art vor dem Kunstmuseum Solothurn, ist ein Beispiel für das elementare, spielerisch-poetische Schaffen des Künstlers: die Kraft des Wassers, die aus dem Stiefel, der an einer Schaukel gehängt ist, austritt, lässt den Stiefel und somit den sich entfaltenden Wasserstrahl nach vorne treiben. Oder das einsame, mit Wasser gefüllte Stiefelpaar, das in der Wasserstiefel-Explosion, 1986, mannshoch aus den Schäften spritzt und eine Wassererscheinung evoziert.
Im öffentlichen Raum realisiert der Künstler zahlreiche Werke, so 1987 den umstrittenen Wasserturm in St. Gallen mit seiner roten Wassertonne auf hohem Sockel, wo aus einem Loch Wasser in hohem Bogen auf die Wiese fällt, was der Vorstellung eines repräsentativen Brunnens nicht entsprechen wollte.
Weitere Gegenstände, die der Künstler über die Jahre hinweg immer wieder für Aktionen benutzt, sind sein Piaggio, mit dem er die Welt erkundet, der Stuhl, das Fass oder die Kiste und der Tisch sowie das Fahrrad und das Kajak. Diese transformiert oder setzt er immer wieder von neuem Prozessen aus, wobei einst Nützliches plötzlich sinnlos und absurd erscheinen kann. Bei vielen Aktionen, die auf den ersten Moment als lustig und erheiternd oder aufregend erscheinen oder ironisch verstanden werden, eröffnet ein vertiefter Blick ein Reich existentieller Fragestellungen und lässt Tief- und Abgründiges erscheinen.
Drei jeweils autonome Werkphasen unterscheidet der Künstler in seinem Werk: die Ausgangslage eines Ereignisses mit der Konzeption, der Vorbereitung und dem Aufbau, die Aktion als Werk- und Transformationsprozess und die Relikte und Spuren des vollzogenen Prozesses. Diese 3 P
hasen werden vom ihm jeweils in Skizzen und Zeichnungen festgehalten, die sich über die Jahre hinweg zu einem bedeutenden Bereich in seinem Werk entwickelt haben.

 

www.romansigner.ch

 

Roman Signer wird von der Galerie Hauser & Wirth vertreten

 

Esther Maria Jungo

 

Werke sortiert nach Titel ↑JahrGattung

Bild Informationen Beschreibung

Roman Signer

Stiefel / Eisschrank

1996

Gefriertruhe Novamatic, Gummistiefel

Masse 82,4 x 45 x 59,5 cm

Skulptur

Eine Grundthematik von Skulptur ist Volumen zu definieren und Leere zu umschliessen. Signer wählt ein elementares Objekt - den Stiefel - das Schutz gewährt und Volumen umschliesst, um bei diesem Objekt weiteres skulpturales Potential auszuloten und dabei verschiedene Sinnschichten freizusetzen. In der Box einer Gefriertruhe werden die Stiefel einer Transformation ausgesetzt.... [ Weiter ]