Leben & Werk Installation Ian Anüll

Ian  Anüll
* 1948 in Sempach
Als Nomade in seiner Zeit lebt Ian Anüll abwechslungsweise in Zürich und Paris, in den letzten Jahrzehnten ebenso in Genf, Barcelona, Paris, Brüssel, Oslo, Berlin und Buenos Aires.

Ian Anüll hat seine künstlerische Ausbildung in den damaligen Kunstgewerbeschulen respektive Schulen für Gestaltung Luzern und Basel absolviert. Von 1969 an trägt er sein Pseudonym Ian Anüll. Seitdem hat er seinen realen Namen aus seiner Existenz gestrichen und erwähnt weder biographische Stationen noch Näheres über seine Lehr- und Wanderjahre.

Anülls künstlerische Haltung, in der steten und differenzierten Auseinandersetzung mit persönlichem Stil/Brand und der Macht der Massenware oder -bilder, mit Vermarktung und Konsum, findet sich bereits in seinen frühen Werken der 1980er Jahre die, wie sein künstlerisches Schaffen in der Folgezeit, von Präzision, Eigenständigkeit und Konsequenz geprägt ist. Dabei vermag kaum ein gängiges Kriteriensystem mit stilistischen Zuordnungen Anülls Kunst zu fassen. Seine Haltung basiert auf den gesellschaftskritischen Bewegungen und dem künstlerischen Ideenpotential der späten 60er und nachfolgenden 70er Jahre, wo mittels Konzepten, Performances, Objekten oder Interventionen auf den Kunstmarkt und zeitgenössische Gesellschaftsstrukturen reagiert wurde. Nicht nur Anülls Blick auf unsere westliche Umwelt, sondern ebenso seine ausgedehnten Reisen beeinflussen seine poetische und nicht selten humorvolle Sichtweise auf Inhalte, Formen, Gestaltungen und Zeichensysteme in dieser Welt, die sich in seinem Werk niederschreiben. Die Strasse erlebt er als Teil seines Atelierraumes. Er ist ein Sammler und Finder. Eine Vielzahl seiner gefundenen Objekte werden durch präzise Eingriffe zu Werken. Diese sind von einer kritischen Reflexion über unsere Zeit und unser Handeln, von sozialen, politischen und ökonomischen Bedingtheiten unserer Massenkultur geprägt. Mit vornehmlich elementaren künstlerischen Mitteln, nicht selten mithilfe der Verwendung ausgesuchter Typografien, analysiert er die Strukturen von Moderne und Nachmoderne, wo so vieles von einem rasanten Wandel der Werte und Systeme erfasst wird.

„Ian Anüll produziert Kunst ohne Utopie", steht in einem Artikel aus den 80er Jahren im Noema Art Magazin (15/1987). Symptomatisch hierfür ist seine Auseinandersetzung mit Einzigartigkeit, folgerichtig ebenso mit Kopie, Trademark und Copyright der Waren- und Kunstwelt, was sich ebenso in der Erscheinung Anülls bekräftigt. An einem seiner Canini findet sich die glänzende Malerei des Trademark-Zeichens: Ian Anüll, eine universell geschützte Marke. Blickt der Künstler in den Spiegel, sieht er das kyrillische я, was in der deutschen Übersetzung ICH bedeutet und somit wieder auf sich selbst verweist. Diese humorvolle Auseinandersetzung mit Differenz darf bei Anüll als mögliche Überlebensstrategie interpretiert werden, in einem System zu bestehen, an dem er, im Spannungsverhältnis zwischen Marktkritik und eigener Produktion, zwangsläufig teilhat. Was für existentielle, monetäre, aber auch ästhetische Strategien bringen die Strukturen einer heutigen, globalisierten Welt hervor und auf welche Arten können diese Bilder und Zeichensysteme verstanden werden? Einzigartigkeit und Effizienz in Ökonomie und Kunst verlangen nach einem juristischen Schutzmechanismus und besonderen Strategien, damit die Produkte in der Folge gut gedeihen. Werktitel wie Produkt (ab 1984), Trademark (ab 1984), Copy (ab 1991) verweisen nicht nur auf den Wunsch nach Einzigartigkeit und Aura eines Werks, sondern zugleich auf die reale Verknüpfung künstlerischer und monetärer Werte mit der ironischen Frage, was ein Kunstwerk alles sein kann: ein Fundstück, ein Produkt, eine Ware, ein Original oder eine Kopie, eine Referenz, ein Muster ohne Wert oder ein schützenswertes Objekt. In diesem Sinne reflektiert der Künstler ebenso das System Kunst; ihre Produktion und ihren Betrieb und Vertrieb. Anülls Arbeiten tragen dabei kaum den Nimbus und Glanz seiner werbewirksamen Vorbilder, wie dies bei Zeitgenossen, auch im Reich der Kunst, gerne inszeniert wird. Vielmehr sind die materiellen und geistigen Fundstücke von einer einfachen, minimalen, oft auch poveren Materialisierung gezeichnet. Dabei sind die äusserst sorgfältig und präzis ausgeführten Arbeiten von einer liebevollen Achtsamkeit zum Material geprägt und bestechen durch eine eigensinnige sinnliche Ausstrahlung.

Durch Gegenüberstellung, Markierung, Kombination oder weitere präzise Eingriffe bei einem bereits bestehenden Code fordern Anülls Umdrehungen, Verschiebungen oder Rückführungen Bedeutungswechsel, materialisiert in den Medien Druckgrafik, Collage, Malerei, Zeichnung, Objekt, Fotografie, Video, Installation und Performance. Sie fordern die Betrachter auf, die Konventionen und Werte genauer zu überdenken, um dabei gleichzeitig neue Interpretationsebenen zu erfahren.

Eine besondere Liebe besitzt der Künstler für das Buch an und für sich, für seine Inhalte, seine Form und Gestaltung, weshalb es sich von selbst versteht, dass Anüll bereits seit den 70er Jahren eigene Künstlerbücher schuf, in denen aus banalen Dingen Kostbarkeiten werden und letzte Dinge in ihrer Einfachheit brillieren. Bis heute haben seine Künstlerbücher einen beträchtlichen Umfang erlangt, in denen sich nicht nur Druckgrafiken, sondern auch Multiples finden.

 

Seine erste Einzelausstellung hatte Ian Anüll im Centre de gravure contemporaine in Genf 1986, anlässlich welcher er mit 16 geladenen Künstlern Holzschnitte präsentierte. 1990 hatte Ian Anüll seine erste wichtige, von Bernhard Mendes Bürgi kuratierte Einzelausstellung in der Kunsthalle Zürich. Im Jahr darauf vertrat er die Schweiz an der Biennale von São Paulo, 1992 im Fri-Art, Centre d'art contemporain, Kunsthalle Freiburg. In den letzten Jahren gab es einige bedeutende Einzelausstellungen, wie jene im Kunstmuseum Solothurn (2003), Kunsthalle Giessen (2005), Centre Culturel Suisse in Paris (2006), Helmhaus Zürich (2010), immer wieder in der Galerie Mai 36, Galerie Meile in Beijing (2010) und in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich über die Druckgrafiken, Künstlerbücher und Editionen (2012).

Seine Werke, die internationales Renommee besitzen, sind in bedeutenden Schweizer Sammlungen vertreten.

Der Künstler wird von der Galerie Mai 36 in Zürich vertreten.


Esther Maria Jungo

 

 

Werke sortiert nach Titel ↑Jahr

Bild Informationen Beschreibung

Ian Anüll

Produkt

1985

Öl auf Karton, 3-teilig

Masse "Installation: 34,9 x 76,5 cm Teil weiss: 34,4 x 25 cm; Teil schwarz: 34,9 x 24, cm; 5 Buchstaben je 10,3 x 5,2 cm"

Installation

Die Hinterfragung von Systemen und Machtstrukturen unserer Konsumgesellschaft ist bei der dreiteiligen Arbeit Produkt ein entscheidender Themenbereich, den Ian Anüll seit den 1980er Jahren immer wieder von neuem thematisiert. Die Verlinkung der Systeme - jenes des Warenwerts, des Verkaufwerts, des Konsums in der Warenwelt und jenes des Mehrwerts in der Symbol-... [ Weiter ]