Landschaft, 2000

Landschaft, 2000, Monica Studer / Christoph van den Berg

Im Jahr 2000 entwickelt das Künstlerpaar die Installation Landschaft, die aus einer Hütte besteht, deren Ansichten, Einsichten und Aussichten virtuell erschaffen und im Medium von Tintenstrahldrucken vorgetäuscht wird. Innen und aussen werden modellhaft verkehrt und an den Aussenflächen der Hütte findet sich die Abwicklung des Innern. Konsequenterweise eröffnet sich im Innern das virtuelle Panorama der die Hütte umgebenden Gebirgslandschaft. Einzige Zeugen und Objekte wahren Charakters sind Holztisch und Hocker vor der Hütte, wo ein Computer digitale Reisen in schönste Gebirgspanoramen ermöglicht. Sie laden ein, von einem idealen See- und Alpenpanorama ausgehend, den Ort zu erkunden und eine alpine Idylle mit Hütte, die fremd und zugleich bekannt erscheint, zu entdecken. Am Computer wandert der Besucher per Mausclick über eine felsige Landschaft zwischen zwei Gewässern in die kleine Holzhütte - dieselbe, die de facto hinter dem Computer steht. In ihr entfaltet sich durch die virtuelle Welt des Computers einfaches Innenleben, diverse hölzerne Latten sind horizontal oder vertikal angebracht. Man erlebt das Durchschimmern des Tageslichtes durch die Ritzen der Latten von aussen, ein Fenster, Tisch und Stuhl, ein Computer - dieselben, die real ausserhalb der Hütte zum Sitzen und Surfen einladen. Der einzige Weg aus dem imaginären Innern ins imaginäre Aussen führt über das auf dem Bildschirm angezeigte See- und Alpenpanorama wieder zum Startpunkt - allerdings hat sich die Witterung oder die Tageszeit geändert, Nebel etwa hängt über der Landschaft, kaum ist etwas zu erblicken.
Die Hütte und der Holzverschlag sind dabei nicht nur Fiktion, sondern zugleich auch Modell für eine virtuelle Reise in imaginäre Innen- und Aussenräume.

Die Landschaft ist Vorgänger der folgenden interaktiven, vieldiskutierten Arbeit Hotel Vue des Alpes, die seit 2000 laufend erweitert wird. Wie diese erschliesst sich auch Landschaft als ein Netzwerk verschiedener Röhren, die an einer Vielzahl von Knotenpunkten Übergänge zwischen unterschiedlich definierten Räumen oder Orten bieten und somit verschiedene Panoramen eröffnen können. Dem Verführt-Werden in ein virtuelles Reich ohne Grenzen halten die Künstler das durch Klicken ermöglichte eigenständige Gehen innerhalb eines gewissen Parameters entgegen. Die Konstruktion bleibt offensichlich und man erhält Einblick in die virtuelle Welt eines Computermodells. Das wahrgenommene Bild bleibt an und für sich bestehen, doch durch die nun veränderte Betrachtung der sich stückweise anbietenden Landschaft erfolgt eine Neuinterpretation. Dadurch wird die Wahrnehmung an und für sich zum Thema und das Hin- und Herpendeln, das Oszillieren zwischen verschiedenen Wahrnehmungsarten wirkt als ständiger Begleiter der Betrachtung: was ist dargestellt, wie wurde es dargestellt und wie wirkt die Darstellung?
Der Zugang in die unberührte Natur der Alpenlandschaft ist virtuos, wobei sich des weitern die Frage stellt, was wirkliche Natur ist, was Imagination ist, was Erinnerung von Natur ausmacht und wie diese Bilder in der Wahrnehmung wirken. So sind die Werke des Künstlerpaars Auseinandersetzungen mit Illusion und Wirklichkeit, unterstützt und verwirrt durch Emotionen wie Sentimentalität, Sehnsucht und Melancholie. Die täuschenden 3D-Bilder wirken in der einen Dimension echt und Welt- sowie Naturerfahrung per Mausclick wird auf einmal geradezu Ersatz für eine wirkliche Erfahrung in der Realität. Die Macht der Bilder zeigt sich gerade dort, wo sich ihre Künstlichkeit offenbart und gleichwohl ihre verführerische Wirkung entfalten kann. Die Künstlichkeit ist, trotz mimetischem Raffinement sowie Schärfe und Präsenz, in ihrer besonderen Computerästhetik unverkennbar. Neben bravourös eingesetzten malerischen Mitteln in der Komposition mit Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund, unterstützt von Farb- und Luftperspektive und dramatisiert oder auch ironisiert durch den Einbezug wechselnder Witterungsverhältnisse, finden sich amorphe oder kristalline Muster sowie uniforme Flächen und Pixelstrukturen. Es geht nicht darum, mit digitalen Mitteln einen absoluten Naturalismus zu erzeugen, als vielmehr eine Realismusnähe, die trotz alledem als digital hergestelltes Bild wirken und bleiben soll.

Die Künstler konstruieren die Landschaft aus der Erinnerung ihres kollektiven Gedächtnisses, das sie als Zeitzeugen in sich tragen. Was macht Realität und was Erinnerung aus, bestehen sie doch aus real Gesehenem, Medienvermitteltem und Fiktivem. In diesem Sinne steht weniger die Darstellung im Vordergrund als die Bedeutung des Dargestellten, die zwischen veritabler Künstlichkeit und ersehnter Natürlichkeit oszilliert. Der Vorgang der Wahrnehmung, bei dem Bilder das Gesehene mitbestimmen, ohne sich dessen bewusst zu sein, bestimmt somit die Bildererfahrung von Monica Studer & Christoph van den Bergs Arbeiten.

 

Die Werke des Künstlerduos werden in der Technologie belassen, in der sie beim Entstehen geschaffen wurden, mit der Technik, die dazumal aktuell war.

 

EMJ

Künstler
Monica Studer / Christoph van den Berg
Gattung
Installation
Material
Alukonstruktion, verschraubbar, Ink Jet Prints, Tisch und Hocker aus Holz, Computer mit installierten Panoramen, Monitor und Maus
Masse
300 x 200 x 240 cm (Hütte)
Standort
Depot
Inventarnummer
Pl 03.033
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2003
Provenienz
bei den Künstlern, 2001
Ausstellungsgeschichte

 

2003 Kopfreisen Landesmuseum Joanneum, Graz, Schloss Trautenfels

2002 Kopfreisen, Kunstmuseum Bern und Seedamm Zentrum Pfäffikon

2002 A Walk, a Ride, a Lift, Villa Merkel, Esslingen am Neckar

2001 Templates, Kunsthaus Baselland, Muttenz

2000 Eidgenössissche Preise für freie Kunst, Messe Basel

2000 A quoi tu joues? attitudes, Genf

 

Literatur

Ausst.kat. Solothurn, Kunstmuseum, 26.11.2005 bis 12.2.2006. Somewhere else ist he same place.  Als Einband wurde ein kleiner Teil der Berg-Oberfläche aus dem japanischen Aichi gewählt, die auf das Originalmaterial gedruckt wurden. Jeder dritte Band erscheint in einem anderen Schutzumschlag.

Andreas Baur, Hg. Monica Studer / Christoph van den Berg. Being a guest. Basel: Christian Merian Verlag, 2003

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