Ohne Titel (aus der Serie NYC 1991/93), 1991/93

Ohne Titel (aus der Serie NYC 1991/93), 1991, Beat  Streuli

„Exemplarisches über die Bedingungen des heutigen Daseins" mitzuteilen wünscht sich Streuli mit seinen Fotografien von Strassenszenen, „ohne zu theoretisch und ohne zu emotional zu sein". Seine „kontrollierten" Fotografien entstehen mit Hilfe eines Teleobjektivs aus grösstmöglicher physischer Distanz und kreieren Bilder von nächster Nähe und Intimität. Dabei geht es ihm um die unspektakuläre Aufnahme des Moments, wenn sich das „öffentliche" Gesicht eines Passanten für einen Augenblick selbst vergisst und sich unbeobachtet fühlt. Der Flaneur, den er auf seinen Streifzügen durch die Grossstädte ist, schaut umher, nimmt Personen wahr und gibt diesen Fokus mittels seiner Bilder wieder. So wird das Sehen des Flaneurs zur Fotografie, das Fotografieren aber auch zum Sehen, werden durch Streulis Fotografien doch Momente festgehalten, die in ihrer Flüchtigkeit im Alltag kaum wahrnehmbar sind. Diese Momentaufnahmen deuten auf kleine Risse in der Alltagsroutine, auf Öffnungen ins Unbewusste der Menschen. Das Verhältnis von Schärfe und Unschärfe, durch den Einsatz des Teleobjektivs bedingt, betont die Fokussierung auf diese Risse zusätzlich.

Die ephemeren Begegnungen, Ausdrücke und Handlungen, die uns mittels Streulis Strassenszenen überliefert sind, werden durch die Fotografie zu dauerhaften Zuständen, statisch und analysierbar. Sie sind Fragmente einer urbanen Realität. Die Bewegung wird in ihrem Fluss unterbrochen, neue Kontextualisierungen und Assoziationsketten entstehen. Der Titel einer Arbeit informiert uns über den Entstehungsort der Fotografie, alle Bildtitel zusammen ergeben eine Art Itinerar von Streulis Reisen und Wohnorten - Rom, Paris, New York, Brüssel, Tokyo, Cape Town, Krakau, Sao Paolo, ... Immer wieder kehrt Streuli zurück nach New York, dem Ort, der seine Sehnsucht nach einer multikulturellen Gesellschaft immer wieder zu nähren und für eine gewisse Zeit auch zu stillen vermag.

Streuli wählt seine Bilder sorgsam aus Tausenden von Aufnahmen aus. Dieser Prozess des Auswählens, sowie des Zusammenstellens der Motive ist ihm genauso wichtig wie das „Schiessen" der Bilder. Interpretierbarkeit und Narrativität der minimalen Gesten, der Einblick „hinter" das „öffentliche" Gesicht eines Passanten sind mitverantwortlich für den cinematografischen Charakter einer Aufnahme, der darüber entscheidet, ob ein Bild genügend überzeugt, um in Streulis immensem Konvolut von Fotografien zu überstehen, dessen Zweck es ist, Aspekte des heutigen Daseins aufscheinen zu lassen.

KFR

 

Künstler
Beat Streuli
Gattung
Fotografie
Material
Farbfotografie
Masse
136,8 x 201,0 cm
Standort
Depot
Inventarnummer
F 2003.171
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2003
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Beat Streuli, 1993
Ausstellungsgeschichte

Literatur

Weitere Infos