Figur, 1977
Die Beschäftigung mit Skulpturen und Objekten ist im Werk von Jean-Frédéric Schnyder, trotz grosser Diversität in Gattung und Stil, in den frühen Jahren seltener anzutreffen als das bildnerische Schaffen auf Leinwand und Papier.
An der documenta 5 1972 ist der Künstler in der Abteilung der „Individuellen Mythologien" u.a. mit der Skulptur Figur präsent. Von demselben Geist beseelt ist auch Schnyders Skulptur Torso, die ebenso von bildhauerischer Meisterschaft geprägt ist.
Die Figur, ein totemartiges, skulpturales Gerippe, behauptet sich als solitäre Stele. Sie erweist in Form und Gestaltung den Stammeskulturen vornehmlich afrikanischer und ozeanischer Provenienz die Ehre, die einst im Primitivismus eine Erneuerung der Modernen Kunst erwirkten. Das archaisch anmuntende, in sich versunkene Gerippe-Männchen mit breitem, stilisiertem Mund und spitzem, schwarzem Bocksbart steht nicht ohne Schalk im Raum: Sein schwarz bemalter Körper mit roh belassenem Skelett wurde mit weissen Unterhosen bekleidet, und auf seinem Kopf findet sich ein ornamentaler, schraubenartiger Aufsatz. Mit liebevoller, detailreicher Gestaltung präsentiert uns der Künstler ein Werk, das mit dem Stil einer zur Doktrin gewordenen Moderne charmiert, der falschen Form ein verinnerlichtes Lächeln verabreicht und den kultischen Bezug zur Farce werden lässt.
Zugleich finden sich in der Skulptur bezüglich Stil und Thematik Bezüge zum gleichzeitig im Entstehen begriffenen Werk Apocalypso, 1976-78, das ebenso als Kommentar auf die Kunstgeschichte verstanden werden kann und zugleich die menschliche Sehnsucht nach Exotik und Erotik aufnimmt.
EMJ