Sofies Himmel, 1995

Sofies Himmel, 1995, Muda Mathis

Die Video-/Lichtinstallation wurde von der Künstlerin anlässlich ihrer ersten bedeutenden Einzelausstellung 1995 in der Kartause Ittingen in den historischen, dunklen Kellerräumen realisiert. Sie besteht aus 5 Monitoren, die in einer Flucht hintereinander in einem Abstand von etwa 3 Metern am Boden platziert werden. Die Monitore und deren Bilder sollen in einem Blick erfasst werden können. Der Ton ist im ganzen Raum zu hören. Sofie ist ein auf 5 Monitore fragmentiertes imaginäres Porträt (benannt nach der Nichte des Ostschweizer Malers Adolf Dietrich) in 5 Akten zu 11 schwebenden Lampenobjekten: eine Choreographie aus Licht und Tönen.

„Ich beginne mit den schnellen Füssen. Rauf dem Klaviergehämmer entlang, Wade, Wade rauf, zweimal um die Knie, schmatz, ohne nur ein Quäntchen Zeit zu verlieren... Doch es geht weiter, weiter im Takt, In the rhythm, nach oben. Jetzt die schwankende Lende. Kleine Pause, Innigkeit, ein Hauch von Feierlichkeit.... Mit wem tanzt Sofie Dietrich? Schöne Hände. Was für Musik wird gespielt? Sollten es zuerst die Geigen sein? Nein, zuerst wird gesungen. Warum habe ich Dich nicht geküsst, nicht geküsst, nicht geküsst Sofie. .... Eine ganze Landschaft breitet sich aus, es ist wunderbar, Bäche sprudeln die Kehle. Wir kommen jetzt zum Gesicht. Es lacht. Wie schön. Es hat sich gelohnt." (Muda Mathis). Die Erzählung von Mathis über ihre Sofie, die der Generation ihrer Eltern entspringen soll, ist assoziativ, sprunghaft, suggestiv, wie ihr Videowerk, das in Bildeinheiten verteilt ist, die synchron auf den 5 Monitoren präsentiert werden.

Sofie schläft und liegt wie Schneewittchen fürstlich gekleidet still auf ihrem Bett. Die 5 Monitore präsentieren die auf 5 Teile fragmentierte Schöne im Raum: Füsse, Schenkel/Schoss, Bauch, Brust und Kopf. Musik, ein lautmalerisches Lied, Rhythmen erklingen für Sofie, weitere Bildsequenzen erscheinen, als würde sich Sofie wegträumen und in den Sog einer anderen Welt gezogen: Wasser, Kerze, tropfendes, rotes Blut ein ganzer Kessel voll, dampfende, goldgelbe Polenta, ein sich drehender Kohl, bewegte nackte Weiber, die sich im Kreis drehen, wilder Tanz im Kreis, begleitet von gesungenen Reimen und Rhythmen. Drehen und kreisen. Dass die Töne an Chilbimusik erinnern hat mit den bevorzugten Dreivierteltakt-Rhythmen zu tun wie auch mit der Selbstverständlichkeit, an die sich die Künstlerin an Melodien und Verse oder Märchen aus der Kindheit erinnert. „Sofie! ... wenn Du nicht verstehst, ist das nicht schlimm, wenn Du im Regen stehst, ist das nicht schlimm.... dann hab' Geduld mit deinem Hirn, das ist schon recht, das ist schon recht.... Bau dir eine Maschine, die wirft dich ins Gras, machs Violanta, die flog ins All, iss ein Stück Brot, guck in den Spiegel, du wirst es nicht bereun, bau dir ein Motorrad und fahre ins Kraut ..." Durch ihre Texte, gesprochen oder gesungen, begleitet sie ihre Bilder. „Musik", so Mathis, „ist der beste Lehrmeister auch für das Visuelle." Worte malen Bilder: Verwischte, dynamische, befreite Szenen in rhythmischen Bild- und Tonwerten. Bilder erzeugen Klänge. Hören, Sehen und Fühlen drehen sich im Kreis und tragen fort. Gefühle wie Sehnsucht, Begehren, Lust, Glück und Befreiung werden ungeniert eingefordert. Sofie erwacht beinahe, schläft weiter. Ist das Bilder- und Tonspektakel nach nahezu 15 Minuten vorbei, so erscheint über diesem eine weihnächtlich anmutende Lichterkettenbeleuchtung, die in rhythmischer Folge mit einem einfachen, kindlichen Vers den dunklen Raum beleuchtet: „Sofies Zeh blutet ja, kein Wunder, scheint es, schreit sie da." Dazu die Künstlerin, die Leichtigkeit, Einfachheit und Klarheit anstrebt: „Ich möchte die Menschen im positiven Sinne berauschen. Das könnte bedeuten, dass ich sie durch den Rausch der Bilder zu ihren eigenen inneren Bildern bringe. Ich tue alles, um sie einzulullen, ich will sie überlisten, dass sie sich öffnen, erinnern. Ich will sie an den tiefen, tiefen Jagdgründen des Unbewussten kitzeln."

Das nachfolgende Werk von Sofie ist Babette 1995, auch eine Hommage an Frauen, nun der eigenen Generation.

 

EMJ

 

 

 

Künstler
Muda Mathis
Gattung
Videoinstallation
Material
"Fünf-Kanal-Video/Licht-Installation, bestehend aus: 5 Betacam SP (Farbe, mit Ton, 15'), 11 Lampenobjekte aus Alu, Chassis mit Fassungen (""Sofies Zehe blutet ja, kein Wunder scheint es, schreit sie da"")"
Masse
"variabel
div. Teile: SIE: 82,5, x 107 x 0,25 cm; JA: 82,5 x 97 x 0,25 cm; DA: 82,5 x 96,2 x 0,25 cm
div. Teile: ES: 82,5 x 91,7 x 0,25 cm; KEIN: 82,5 x 154 x 0,25 cm; ZEHE: 82,5 x 183 x 0,25 cm
div. Teile: BLUTET: 82,5 x 275 x 0,25 cm; WUNDER: 82.5 x
Standort
Depot
Inventarnummer
Pl 03.018
Credits
Schenkung Stiftung Kunst Heute, 2003
Provenienz
Ankauf 1996 bei der Künstlerin
Ausstellungsgeschichte

Literatur

Weitere Infos

2012 erscheint der Dokumentarfilm Claudia von Wilke. Les Reines Prochaines - Alleine denken ist kriminell