Leben & Werk Marco Poloni

Marco Poloni
* 1962 in Amsterdam
lebt und arbeitet in Berlin


Marco Poloni verbringt seine Kindheit in Rom, Mexiko City und Genf. 1986 beendet er seine Studien in Physik an der École Polytechnique Fédérale EPF in Lausanne mit einem Diplom. Anschliessend entscheidet er sich für eine fotografisch-künstlerische Ausbildung. Er besucht das International Center of Photography in New York und die Gerrit Rietveld Academie von Amsterdam, wo er 1994 mit einem Diplom abschliesst. In Rom weilt er im Jahr 2000 als Stipendiat am Istituto Svizzero, in Berlin im Jahr 2003. Hier lässt er sich 2007 nieder. Seit 2008 wirkt er als Dozent an der Ecole cantonale d’art ECAL in Lausanne. Poloni darf mehrmals das Eidgenössische Kunststipendium entgegennehmen. 2005 nimmt er an der thematischen Gruppenausstellung Shadows Collide With People im Schweizer Pavillon an der Biennale von Venedig teil. Mit seinen Werken ist er national und international an Einzel- und Gruppenausstellungen beteiligt.

 

Marco Poloni ist nicht nur Fotograf und Autor von Filmen, zugleich, als unabdingbarer Teil seines fotografischen und filmischen Schaffens, arbeitet er als Wissenschaftler, Historiker, Forscher, Reporter und Archivar. Ästhetik, Komposition, Ablauf von Bildersequenzen und die Dramaturgie des Films wie auch die Bedeutung des Set und die Erarbeitung eines Filmszenarios mittels Storyboard nehmen in Polonis narrativem und vielseitigen Werk – Film, Fotografie, Installation – eine bestimmende Stellung ein.

Die Wahl-Verwandtschaft zum Film findet man nicht nur in Polonis frühen Arbeiten, wie in der Serie AKA (Also Known As)  – Script for a short film, 2002, oder in seinem Projekt The Desert Reporter, 2002-2006. Sie prägen in selbstverständlich Weise auch seine folgenden filmischen Arbeiten und installativen Verortungen der fotografischen Bilder und Dokumente im Raum, die einen besonderen Erzählduktus entwickeln.

Während Poloni in seinen frühen Arbeiten das mehrdeutige Verhältnis zwischen Realität, Bild und Wahrnehmung untersucht, interessieren ihn seit seinem Romaufenthalt auch vermehrt soziale und politische Themen, die sich in einem zusehends vielschichtigen Werkkomplex im mediterranen Umfeld niederschreiben.

Die Fotoserie Displacement Island, 2006, ist eine Art Porträt der italienischen Insel Lampedusa. Sie besteht als raumgreifende, konzeptuelle Fotokonstellation aus Aufnahmen des Künstlers, Fotos aus Urlaubskatalogen, Postkartenmotiven, anonymen Bildern und Nachrichtenbildern. Präsentiert werden in Form einer losen Narration Spuren von Reisenden, Touristen wie auch Flüchtlingen, die sich hier, in der Hoffnung auf einige Wochen Nichtstun oder auf ein besseres Leben, finden, wobei sich in der Folge Fragen nach Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Identität stellen.

Der mediterrane Kulturraum ist in der Folge Ausgangspunkt für weitere, zahlreiche Projekte, wie dies in seinem Werkkomplex The Majorana Experiment, 2008-2010 der Fall ist, der dem 1938 im Meer verschollenen italienischen Physiker Ettore Majorana nachgeht.

In folgenden Projekten widmet sich der Künstler weiterhin Problematiken und Vorgängen im Mittelraum mit Fokus auf die gesellschaftliche Unsichtbarkeit und Machtstrukturen im Spannungsverhältnis von Subjektivität und Ideologie.

Im Film The Analogue Dam, 2010, erkundet Poloni einen gespenstischen, unvollendeten Staudamm im Süden Italiens.
Der experimentelle Film
Scomparsa delle lucciole, 2011, führt die Rercherchen weiter, indem er im Umfeld Siziliens auf verschiedenen Erzählsträngen darzulegen versucht, in welcher Weise mafiose Machtstrukturen sich auf die lokale Topographie auswirken.

Im Laufe der Jahre hat Marco Poloni eine spezifische und komplexe Form der Präsentation seiner Werke im Sinne von möglichen Bedeutungsräumen entwickelt – dem einzigartigen Kunstwerk steht er kritisch gegenüber –, wobei dem Leerraum, der Lücke eine weitere Bedeutung zukommt. Dem leer belassenen Raum eröffnet sich das Imaginäre, der fehlenden Hypothese können sich individuelle Interpretationen dazu finden und weitere Fährten folgen, wodurch der Betrachter die Möglichkeit erhält, sich einen Teil der Geschichte anzueignen und selber Autor zu werden. Die fotografischen und filmischen Arbeiten Polonis finden auch Niederschlag in Künstlerbüchern, die nicht mit Einzelbildern glänzen möchten, sondern aus Konstellationen Inhalte übermitteln.

 

Marco Poloni wird von der Galerie Campagne Première in Berlin vertreten.

 

Esther Maria Jungo

 

Werke sortiert nach Titel ↓JahrGattung

Bild Informationen Beschreibung

Marco Poloni

Majorana Eigenstates

2008

Continuous video projection with sound, HD Video, 1: 2,35, colour, stereo, loop of 46' Ed. 5/ 1/5

Masse dimensions variable

Video

Majorana Eigenstates ist Teil des Werkzyklus The Majorana Experiment (2008-10), der sich mit der Geschichte des italienischen Physikers Ettore Majorana (1906-1938) auseinandersetzt, der 1938... [ Weiter ]